Patrick Pierer | 21.10.2022
Was wäre, wenn deine Bedürftigkeit gegenüber der Frau in Wirklichkeit ein Bedürfnis nach Macht über die Frau ist?
Lange fühlte ich mich in meiner Bedürftigkeit gegenüber Frauen gefangen. Ich sah mich als Opfer einer übermächtigen Kraft, die mich immer wieder dahin brachte, mich selbst im Weiblichen zu verlieren.
Es ist Zeit, wirklich hinzuschauen. Auch wenn es schmerzt. Denn das bedeutet, dass sich ALLES um 180 Grad dreht. Hinter diesem Gefühl von Bedürftigkeit offenbarte sich mein Bedürfnis nach Macht über die Frau, danach, sie zu besitzen und über sie zu verfügen. Harter Tobak.
Aber warum wehrt es sich in mir so vehement gegen diese Sicht? Weil ich dann plötzlich Täter statt Opfer bin. Und das Letzte, was ich als Mann sein möchte, ist Täter. Denn an diesem Täter klebt eine grausame Geschichte, für welche ich die Verantwortung nicht übernehmen will. Am männlichen Täter klebt Schuld. Diese Schuld wird mir als Mann von allen Seiten immer wieder eingeflösst - ja, vor allem von Frauen.
Und nun passiert etwas ganz Perfides. Um mich von dieser Schuld zu schützen und den Täter von mir fern zu halten, gehe ich in die Opferrolle. "Bitte bemitleide mich und schenke mir Liebe, weil ich so eine schwere Last von Schuld zu tragen habe." Ich will Mitleid für mein Tätersein gegenüber der Frau - von der Frau. *Gänsehaut*
Das Resultat: Mit dem Täter lehne ich meine Männlichkeit als Ganzes ab. Ich kann nicht in meine Kraft kommen und meine Männlichkeit leben, wenn ich sie ablehne. Denn die Lichtseite des Täters ist der Mann, der aus der Präsenz und Klarheit den Raum hält und die Führung übernimmt.
Das anzunehmen, ist herausfordernd. Und erst der Anfang des Prozesses. Denn hinter diesem Bedürfnis nach Macht über die Frau steckt ein Ur-Schmerz, der gesehen werden will. Es ist die Mutterwunde. Die Verletzung des inneren Kindes, das auf eine emotional nicht erreichbare oder übergriffige Mutter zurückgeht. Oder auf einer spirituellen Ebene die Trennung von der Quelle des Lebens. In dieser Wunde ist die Auflösung dieses Spiels verborgen. Bis das passieren darf, sind diese Einsichten eine Hilfe, um aus diesem ganzen Spiel von Gewalt immer wieder auszusteigen.
Patrick Pierer, Männercoach und Potenzialentfalter
www.feuerherz.ch