Rolf Opitz | 25.11.2022
12.11.2022: Ich bin an einem dreitägigen Aufstellungsseminar bei meiner ehemaligen Ausbilderin. Wir sind insgesamt 17 Teilnehmende und alle wollen aufstellen. Das heisst, von Freitag 10:00 bis Sonntag 14:00 Uhr wird es 17 Aufstellungen geben. Am Ende wird es so sein und ich kann Euch garantieren, alle 17 Aufstellungen waren sehr gehaltvoll.
Eine von diesen Aufstellungen möchte ich hier wieder geben. Warum? Weil ich denke, dass sie exemplarisch ist für eine Situation, in der viele Männer stecken. Die einen sehr tief, die anderen weniger, wiederum andere nicht.
Ich werde als Stellvertreter des Fallgebers ausgewählt. Seine familiäre Situation ist herausfordernd: 3 Kinder, die Älteste in der Pubertät, die anderen beiden bald. Seine Frau und er haben sich auseinandergelebt und so weiter. Er möchte weder die Frau verlassen, noch möchte er sich trennen.
Die Aufstellung erzähle ich aus der erlebten ICH-Perspektive, wohl wissend, dass es NICHT meine Geschichte ist.
Während der Aufstellung sagt die Stellvertreterin der Frau zu mir so etwas wie: «Die Rolle der Mutter will ich weiter ausfüllen. Die Rolle als Ehefrau will ich nicht mehr!» Ich brauche einen Augenblick, um zu realisieren, was ich da in meiner Rolle als Stellvertreter gehört habe. Dann SPÜRE ich, wie sich die Nachricht in meinem Körper setzt. Sie sinkt über den Brustkorb hinab zu den Beinen, fliesst wie eine Last über meine Füsse in den Boden. Gleichzeit macht sich Traurigkeit in mir breit. Augenblicke vergehen wie Minuten, ich beginne zu realisieren, was das bedeutet. Die Traurigkeit wird zur Ratlosigkeit, zur Leere, zur Identitätskrise: «Wer bin ich (noch), wenn ich nicht mehr Ehemann bin? Wer bin ich, wenn ich nicht mehr Vater bin? Wer bin ich???» Ich äussere meine Gefühle und Gedanken.
«Natürlich», so bekomme ich erläutert, «wirst Du immer der Vater bleiben.!» «Das weiss ich selber!» denke ich für mich. Aber es FÜHLT sich nicht mehr so an?
Ich definiere meine Identität als Mann einzig über die beiden Rollen als Ehemann und Vater. Sonst nichts. Wer bin ich, wenn das alles hier in die Brüche geht? Ich mache seit Jahren nichts anderes, als meinen Beruf ausüben und mit meiner Familie leben. Mich um meine Frau und meine Kinder kümmern, was das auch immer im jeweiligen Kotext beinhalten mag. Wie soll das alles gehen und sein? Davon habe ich keinerlei Vorstellung, keinerlei Gefühl! Angst steigt in mir auf. Ich falle energetisch in mir zusammen, bleibe gleichwohl stehen und beobachte.
Die Aufstellung geht weiter, ich bekomme gerade nicht so viel mit, bin mit meinen Gefühlen und Ängsten beschäftigt.
Ich schaue mich um, sehe meine Tochter, der es zunehmend gut geht. «Ihr geht es gut???» denke ich mir. Ich schaue sie an. Offensichtlich war die Situation zwischen mir und meiner Frau eine Belastung für meine Tochter. Diese Belastung ist nun weg. Ich sehe, wie sie ihr Leben lebt. Es ziehen einige Bilder vor meinem inneren Auge vorbei – und diese Bilder sind schön.
So langsam, wirklich ganz langsam bekomme ich einen Eindruck davon, wie das Leben aller Beteiligten sein könnte. Ganz langsam weicht die Leere einer Sequenz von möglichen Inhalten. Einige für meine Kinder, die mir unendlich wichtig sind – wenige für mich, viel weniger. Und dann kommt mir ein Gedanke, der mir wirklich hilft: «Männer! Dafür brauche ich Männer! Wer sind wir? Was sind wir? Welche Identität haben wir als Männer, und zwar UNABHÄNGIG von all diesen Rollen und Aufgaben?» In diesem Augenblick wird mir völlig klar, dass mir vor allem «Meinesgleichen», also Männer helfen können, meine innere Leere mit einer neuen, unabhängigen Identität zu füllen. Mich als Mann (wieder) zu finden. Der Mann zu sein, der ich sein will.
Was zeigt diese Geschichte? Sie ist eines von vielen Beispielen, wie Männer sich gegenseitig unterstützen können, genauso wie Frauen sich gegenseitig unterstützen können.
Genau solche Fragestellungen sind für Männeraufstellungen gefragt. Hier können wir Männer gemeinsam erarbeiten, mithilfe von Aufstellungen, wie so eine Männeridentität aussehen könnte. Wir werden gemeinsam die Fragen der heutigen Zeit in Bezug auf das Mannsein betrachten. Dies tun wir anhand solcher und anderer Beispiele. Ich freue mich auf Euch und diesen kraftvollen Aufstellungstag.
Es hat noch Plätze frei: 03.12.2022 in Nänikon: Mehr Infos unter: https://www.systeme-aufstellen.ch/seminare-und-workshops/maenner-aufstellen/