April 30

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Männerrollen jenseits des Patriarchates


Michael Abele I 30. April 2024

Erfahrungsbericht vom Thementag des MatriArchiv’s an der PH in Zürich

Adrian, Gregor und ich besuchten am 6. April, zusammen mit Birke Knopp und Mirjam Lutz vom FrauenSymposium diesen aufschlussreichen, berührenden und inspirierenden Thementag.

Spannend für uns war natürlich, dass Markus Theunert von Männer.ch Referent war, sowie die bekannte Matriarchatsforscherin Dr. Heide Göttner- Abendrot.eide

Weitere Referenten waren Gandalf Lipinski und Dr. Geseko v.Lübke. Viel Spannendes und Informatives gab es zu hören und bewegte die Teilnehmenden und die Referenten (ca. 85 Personen mittleren Alters davon ungefähr ein Viertel Männer. Immerhin.)

Was könnten Rollen sein jenseits des Patriarchates und was für Kompetenzen dienen dem einzelnen Mann und «den Männern» allgemein, um sich aus nicht mehr förderlichen inneren und äusseren Strukturen herauszubewegen. Am morgen gab es von jedem Referenten und der Referentin je ein sechzigminütiges Referat mit kurzer Fragerunde. Am Nachmittag wurden zwei Gesprächsrunden durchgeführt, welche nur wenig moderiert waren. Als erstes eine Podiumsdiskussion, als zweites dann ein Austausch zwischen den Referenten und dem Publikum.

Markus Theunert hatte den ersten Slot:

In der Untersuchung von männlicher, respektive geschlechtlicher Identität unterscheidet er in seiner sozialwissenschaftlichen Arbeit drei Dimensionen von Identität: die erste ist biologisch begründet, die zweite ist diejenige vom sozialisierten Zugehörigkeitsgefühl und als drittes diejenigen vom sexuellen Begehren, also wohin es den Menschen zieht. Also wo die sexuelle Attraktion liegt. Dies drei Ebenen gilt es für sich, aber auch in der Gesellschaft zu erforschen, respektive zu überprüfen und bei entdeckten Unstimmigkeiten Selbstaktualisierungen vorzunehmen, was meist einen therapeutischen Selbstfindungsprozess oder eben einen gesellschaftlichen Wandel auslösen kann.

Dass nebst den sogenannten Gewinnern viele Männer unter den patriarchal- normativen Gesellschaftsstrukturen leiden, stellte er eindrücklich dar in dem Bild des Mannes, der sich selbst aus der internalisierten normativen Sozialisierung kontrolliert und so selber zum Hüter und Wächter der einer Männlichkeitsvorstellung wird und dadurch zugleich sein eigener Gefangener wird und sein Leben unfrei gestaltet. Also ein Mann der aus Angst heraus sich dauernd selbst bewacht, um ja nicht als unmännlich zu gelten. Das konnte ich und viele Teilnehmende gut nachvollziehen. Wieweit die Dekonstruktion von männlicher Identität dann jedoch gehen soll, ist ein Thema, das aufwühlen kann, da es nicht zwar dient, um sich und andere freilegen zu können, aber auch sehr verunsichern kann, da es eigene Identität infrage stellt. Der Titel seines eben erschienenen Buches ist jedoch beruhigend: «Jungs, wir schaffen das» und er gibt konkrete Anleitung.

Um sich also selbst aus patriarchalen Mustern hinauszuführen und nicht mehr dienliche innere Strukturen abzulegen, hat Markus Theunert vor allem drei Schlüssel-Kompetenzen genannt, die es zu entwickeln gibt:

1. Selbstkontakt generieren

2. Grenzen anerkennen und Grenzen setzen

3. Zulassen, sprich Kontrolle loslassen (und Vertrauen generieren).

Ich reisse hier bewusst die Inhalte nur kurz an. Nachzulesen ist dies und vieles mehr in seinem soeben erschienen Buch, siehe unten.

Heide Göttner -Abendrot hatte den zweiten Slot:

Eindrücklich fand ich ihre Schilderungen von matriarchalen Kulturen. Die Familien und Clans werden über die Frauenlinie geführt. Dabei werden die anfallenden Arbeiten fair verteilt und die Erträge gehören der ganzen Familie und kommen Allen zugute. Kennzeichnend sind eine hohe Sozialkompetenz und eine grosse Zufriedenheit der Clanmitglieder. Ebenso gibt es kaum Machtmissbrauch, Gewalt und Streit. Diese werden schon beim ersten Aufkeimen aufgefangen und als Clan werden nachhaltige Lösungen gesucht, welche in einer Art soziokratischem Verfahren ausgehandelt und durch gelebte Kreiskultur auch ritualisiert zu einem stimmigen Konsens geführt werden.
Erstaunt hat mich, dass es bis in die heutige Zeit hinein noch viele und zum Teil auch grössere matriarchal lebende und gut funktionierende Kulturen gibt.

Auf die Frage wie es denn genau zum Übergang ins Patriarchale Zeitalter gekommen ist konnte sie in der am Schluss nur kurz verbleibenden Zeit nicht herleiten. Gandalf von Lipinski wies auf ihr umfassendes schriftliches Werk hin, welches auf dem Büchertisch auflag.

Lebenserfahren sprachen die beiden «Silberrücken» Geseko von Lübke und Gandalf Lipinski, welche so wie es scheint auf ihren persönlichen Transformationswegen fortgeschritten und gereift sind und diese auch integrativ zu leben scheinen. Lipinski  bezog sich öfters auf die Arbeit von Dr. Heide G. Abendrot.  Der ehemalige Theaterschaffende ist Aktivist und Förderer basisdemokratischer Projekte. Er  ist seit längerem von der Matriarchatsforschung impulsiert und mit diesen Themen unterwegs. Er gründete nebst anderem «die Gesellschaft in Balance», welche gemeinsam erforscht, wieweit sich matriarchatsinspirierte, soziokratisch geführte und basisdemokratische gelebte Gesellschaftsstrukturen heutzutage realisieren lassen.

Dr. Geseko, Publizist, Politikwissenschaftler und Ethnologe, aber auch Seminarleiter für Visionssuchen und Initiationsarbeit setzt sich umfassend für eine patriarchatskritische Männerbewegung ein. Er benannte interessanterweise ebenfalls drei Ebenen, die es zu bearbeiten gilt, um patriarchale Muster und tiefwirkende destruktive Strukturen zu lösen.

Diese drei Ebenen sind wie folgt:

1. Widerstand gegen alte Systeme (um Zeit zu gewinnen und Schäden zu begrenzen),

2. Aufbau neuer alternativer Strukturen und Lebensmodelle und

3. tiefgreifende Bewusstseinsveränderung.

Anders ausgedrückt sprach er es in folgenden Worten aus: „Wir sind Sterbebegleiter eines alten Systems und zugleich Geburtshelfer und Hebammen einer neuen Gesellschaft – und Beides geschieht zur gleichen Zeit. Wir haben also die Wahl, worauf wir unser Interesse richten: Auf den Zusammenbruch des Alten oder die Geburt des Neuen? Beides braucht unsere Achtsamkeit!»

Während der Podiumsdiskussion schieden sich dann die Geister: Markus Theunert und Heide Göttner-Abendrot lieferten sich einen konfrontierenden Disput. Markus war es sehr wichtig, der Queer und LGBTQI+ Bewegung grossen Bedeutung und Gewicht zuzusprechen. Heide Göttner- Abendrot sieht das weniger so. Vielfalt ermöglichen ja, aber wann wird die Auflösung von Mann-Sein und Frau-Sein zu einer Verwässerung? Wann beginnt das In Frage stellen einer «gesunden» Polarität zwischen Mann und Frau die natürlichen Lebenskräfte zu untergraben und zu neutralisieren oder gar schleichend in den Trans-Humanismus hinüberzuführen, wo alles Natürliche, Polare oder auf ein grösseres Ganzes hinweisende als unmodern und nicht mehr zeitgemäss erklärt wird, anstatt es wieder auf neuer Bewusstseinsstufe zu integrieren? Ihre Vision ist eine an den Matriarchalen Kulturwerten orientierten integralen neuen Kultur.

Nebst auf Markus Theunert, der am Männersymposium 2024 die Eröffnungsreferat halten wird, weise ich somit gerne auf die Bücher und Arbeiten der drei weiteren  Protagonisten eines neuen Miteinander’s  hin.

«Jungs wir schaffen das - Ein Kompass für Männer von heute», Markus Theunert, Kohlhammer Verlag, 2023.

Das Umfangreiche Werk und die Forschung über matriarchale Kulturen von Dr. Heide Göttner-Abendrot ist gross, ihre Bücher sind zahlreich. Der daran interessierte Leser wird finden was ihn anspricht, wenn er die Suchmaschine bedient, oder den Weg in die Buchhandlung auf sich nimmt. 

Besonders angesprochen fühlte ich mich von der Arbeit und dem Wirken von Dr. Geseko von Lüpke. Besonders gefallen hat mir seine klare Präsenz, sein Wohlwollen und seine bescheidene Art. Er hat bereits mehrere Bücher verfasst und ist journalistisch unter anderem bei der Begleitung des alternativen Nobelpreises tätig. Auf mindestens drei Bücher von ihm möchte ich hier hinweisen: «Politik des Herzens», «Der alternative Nobelpreis» und «Altes Wissen für eine neue Zeit». Nebst seiner Publizistischen Arbeit ist er auch als Seminarleiter für Visionssuchen und ähnlichem tätig. Mit ihm sind wir bereits in Kontakt und werden versuchen ihn für eine Co-Kreation oder für einen Gastauftritt bei einem unserer weiteren Symposien zu gewinnen suchen.

Von Gandalf von Lipinski gibt die Broschüre: «Jenseits des Patriarchats für eine Gesellschaft in Balance». Gesellschaft-in-Balance.de ist der Titel seiner Website.

Für mich und uns Drei vom Männersymposium war es auf jeden Fall ein inspirierender und nachhaltig wirkender Tag. Eine Erkenntnis für mich war, dass der akademische Diskurs allein nicht zur Lösung führt. Es braucht eine ganzheitsorientierte Kultur und keine «verkopften» Konzepte oder Einbahnlösungen. Die Welt will und darf divers bleiben und soll integral werden.

Wir drei Männer bleiben dran und freuen uns am Männersymposium 7./8. September solche und ähnliche Fragen weiter zu bewegen und über das Gespräch hinaus entsprechende Erfahrungs-, Begegnungs- und Austauschräume anzubieten.

MännerSymposium Schweiz Webseite

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