März 3

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„Königin und Samurai: Wenn Frau und Mann erwachen“


Ruedi Mumenthaler | 03.03.2022 

Rezension zum Buch „Königin und Samurai: Wenn Frau und Mann erwachen“ von Veit und Andrea Lindau.

Ich möchte dieses Buch besprechen, weil es eine Antwort auf die Frage gibt, wo bei unserer Männerarbeit denn die Frauen sind. Es geht hier um die beiden Grundkräfte von Logos und Eros, wobei Logos für das männliche Prinzip, Eros für das weibliche steht. Beziehungen sind ein zentraler Aspekt unseres Lebens und spielen bei unserer persönlichen Entwicklung eine entscheidende Rolle. Mit den Worten von Veit und Andrea Lindau:

«Nur Männer, die sich selbst verstehen und achten, können Frauen wirklich auf Augenhöhe sehen und lieben. Nur Frauen in ihrer vollen Kraft können sich Männern bewusst hingeben, aber auch effektiv gesunde Grenzen setzen.»

Ich gehe allerdings davon aus, dass viel mehr Frauen ein solches Buch lesen als Männer. Entsprechend adressiert Veit direkt die Männer und ermutigt sie: «Wir brauchen viel mehr Männer, die sich mit diesen Fragen (hoffentlich freiwillig) beschäftigen… Wir schreiben dieses Buch deshalb auch in dem Wunsch noch wesentlich mehr Männer dafür zu begeistern, nicht nur Welten im Aussen zu errichten, sondern die inneren besser kennenzulernen. Männer, davon sind wir überzeugt, stehen am zarten Anfang ihrer Befreiungsbewegung.» 

Das Buch besteht aus drei Teilen: einer eher etwas märchenhaften Geschichte von Eros und Logos, die sich in einer Frau und einem Mann verkörpern und sich über die Zeiten immer wieder treffen. Bis zur endgültigen Verschmelzung am Ende. Dem vielleicht noch etwas skeptischen männlichen Leser würde ich empfehlen, diese Geschichte erst am Schluss – quasi zur Veranschaulichung des bodenständigeren Mittelteils zu lesen. Veit und Andrea Lindau wollen mit den drei Teilen die drei Intelligenzen Herz, System und Praxis ansprechen. Nach dem Märchen für das Herz folgt ein Manifest der Liebe für den grossen Überblick und schliesslich ein persönlicher Brief an den Mann und die Frau mit der Einladung zur Umsetzung in der Praxis.

Wobei es weniger um «den» Mann und «die» Frau geht, sondern um das männliche und weibliche Prinzip, die sich in den Urkräften des Lebens – Eros und Logos – und in den Archetypen – Anima und Animus – zeigen. Für unsere Beziehung ist es sehr bereichernd, wenn wir uns dieser Anteile gegenseitig bewusst werden. 

«Die Aufgabe zweier wacher Beziehungspartner muss also darin bestehen, auf der einen Seite bewusst Verantwortung für den eigenen Ich-Werdungs-Prozess zu übernehmen, den eigenen Geschlechtspol stark und klar zu entwickeln und gleichzeitig die Verbindung zu nutzen, um den in dir eher verborgenen Aspekt (beim Mann die Anima, bei der Frau der Animus) achtsam kennenzulernen und auf eine dir angemessene Weise zu integrieren. (Königin und Samurai, Seite 198)»

Veit und Andrea Lindau beziehen sich hier auf C.G. Jungs grundlegende Erkenntnisse. Sie beschreiben es in ihrem Buch sehr anschaulich und beziehungsnah. Sie zeigen auf, welche Stufen unsere Beziehungen durchlaufen. 

Stufe 1: die unbewusste Einheit

Stufe 2: Trauma – Angst und Verehrung

Stufe 3: Konkurrenz und Objektifizierung

Stufe 4: Kooperation und Gleichgewicht (die Kleinfamilie)

Stufe 5: Chaos und Freiheit (beginnend mit einer Sinnkrise) 

Stufe 6: Ko-Kreation – der bewusste Tanz 

Stufe 7: Unio Mystica (als bewusst erfahrene Einheit der Welt und mit der bedingungslosen Liebe)

Dabei sind sie bei der Darstellung der Kleinfamilie ziemlich schonungslos. Hier wird oft nicht nur die Arbeit einseitig verteilt, sondern auch die Seelenanteile des anderen vernachlässigt. Für eine gesunde Beziehung ist es wichtig, dass man zunächst die Anteile seines eigenen Geschlechts lebt, sich also als Mann bewusst mit seinem Mann-Sein auseinandersetzt. Genau das hat mich zur Manngeburt geführt. Ich will diese Anteile kennenlernen und bewusst leben – auch die Schattenanteile. Es gibt also auch beim eigenen Pol Anteile, die wir unterdrücken, nicht beachten, verdrängen. Und häufig leben wir dann die aktiven oder passiven Schattenanteile. Statt den Liebhaber zu entwickeln, verfallen wir der Sucht (aktiv) oder in Depression (passiv), statt König zu werden, werden wir zum machtausübenden und -missbrauchenden Tyrannen (Trump, Putin und viele viele andere) oder zum Schwächling und so weiter. Ich denke, es macht Sinn, sich zunächst mit dem eigenen Pol zu beschäftigen. Doch in einer Beziehung spielen automatisch auch die Aspekte des anderen Pols mit hinein. Entsprechend läuft der Prozess häufig parallel.

Am Beispiel der Kleinfamilie zeigen Veit und Andrea Lindau, wie der Mann seine Anima-Anteile häufig vollkommen an die Frau delegiert. Er zieht sich auf seine vordergründig männliche Rolle zurück und überlässt die Beziehungsarbeit mit den Kindern und in der Familie der Frau. Er sorgt für die materielle Grundlage und ist hauptsächlich im Aussen aktiv. Dabei ist es für unsere Entwicklung zu einem wahren Erwachsenen entscheidend, dass wir auch diese Anteile des anderen Pols fühlen und in unser Wesen integrieren. Als Mann darf ich/muss ich auch Gefühle zulassen, zärtlich sein, mir etwas Gutes tun. Ich darf auch einmal schwach sein, nicht mehr mögen, weinen. Nur wenn wir diese Aspekte auch leben, werden wir vollständig. Wenn ich dies an meine Partnerin delegiere, fehlen mir wichtige Eigenschaften. Ich kann so nicht glücklich sein.

Dann regt sich häufig der Animus bei den Frauen (Stufe 5). Spätestens, wenn die häusliche Rolle nicht mehr als erfüllend wahrgenommen wird. Sie wird aktiv im aussen, sucht nach „mehr“. Und dann gerät seine Rolle ins Wanken. Jetzt wird es nämlich gefährlich für die Kleinfamilie und die alten Muster. Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Der Mann kann dann mitgehen und seinerseits die vernachlässigten Anima-Anteile anschauen und integrieren. Aber das klappt nur, wenn sich beide diese Entwicklung bewusst machen und sie sich gegenseitig zugestehen.

Du kannst dich jetzt fragen, ob du die Anteile des eigenen und des anderen Pols bewusst lebst? Wir Männer müssen oft auf die sehr harte Tour – zum Beispiel durch Krankheit – erfahren, dass wir es verpasst haben, uns mit unserer weiblichen Seite zu befassen. Und einmal zu sich selber zu schauen, es sich einfach gut gehen lassen, zu entspannen und nur zu sein. Probiere es mal aus: lasse dich bei einer Entscheidung komplett von der Intuition leiten, schalte den Verstand gar nicht ein. Lass einmal die Partnerin machen und dich einfach führen. Lass dich verwöhnen und geniesse es gestreichelt zu werden. Da sind noch viele Varianten möglich. Indem du diese anderen Aspekte der Anima lebst, kannst du auch die Aspekte des Animus besser fühlen.

Auf Stufe 6 sind Mann und Frau in sich ganz und vollständig, – er als Samurai, sie als Königin – und ihre Beziehung wird zum Tanz. Dazu zwei kurze Zitate: «Eine Frau schafft es nur auf Stufe 6, wenn sie bereit ist, Männern zu vergeben. Solange sie ihnen grollt oder sie verachtet, kann sie ihren Animus nicht liebevoll willkommen heissen». Und: «ein Mann schafft es nur auf Stufe 6, wenn er lernt zu lieben… Es ist ein bedingungsloses, alles, den Dreck und das Licht umfassendes, wohlwollendes Ja zu sich selbst und den Menschen um sich herum…». Eigentlich ist Stufe 6 ein erstrebenswertes Endziel, das vielen vollends genügt. Spannend war für mich, als ich das Buch ein zweites (oder drittes?) Mal las. Ich war überzeugt, dass die Stufe 6 der Ko-Kreation die höchste sei. Doch es gibt noch eine siebte Stufe, die ich offenbar wieder verdrängt hatte… Auf Stufe 7 geht es dann um die bedingungslose Liebe und die komplette Vereinigung von Logos und Eros. 

Alles in allem kann ich das Buch allen Männern und Frauen empfehlen, die sich und ihre aktuelle Beziehung bewusst anschauen möchten und bereit sind, einen Schritt weiter zu gehen. Es hilft dabei, uns und unsere Partner/Partnerin zu verstehen und zu erkennen, wie wir uns weiterentwickeln können. Wenn dies erkannt ist, geht es dann noch darum, es in die Praxis umzusetzen. Dafür reicht das Lesen eines Buches eher nicht. Aber es öffnet die Türe zu einem neuen Raum, den zu erforschen sich absolut lohnt.

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